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Betriebsratssitzungen mittels Telefonkonferenz und Videoschalte:
Viele Betriebsräte wollen sich in Corona-Zeiten nicht
persönlich treffen zum Schutz vor Infektionen.
Das Betriebsverfassungsgesetz (§ 33 BetrVG) verlangt aber, dass
der Betriebsrat seine Beschlüsse mit der Mehrheit der anwesenden
Mitglieder fasst. Die einhellige Auffassung in Kommentaren und
Rechtsprechung ist, dass die Betriebsratsmitglieder persönlich
anwesend zu sein haben. Weder Umlaufverfahren, Abstimmungen per
Mail und noch nicht einmal Video- oder Telefonkonferenzen
entsprechen diesen Anforderungen. Bemühungen des Gesetzgebers,
die Sache zu modernisieren, standen die Gewerkschaften ablehnend
gegenüber (vgl. Hayen in AiB 2017, S. 38 f). Begründet wurde die
Notwendigkeit der persönlichen Anwesen-heit damit, dass nur so
ein echter Gedankenaustausch möglich ist, da die Vielfalt
menschli-cher Kommunikation nicht nur durch Worte und Sprache,
sondern auch durch Körpersprache, Mimik und Gestik, also durch
das persönliche Erleben, geprägt ist und weder von Telefon- noch
Videokonferenzen abgebildet werden kann. Auch könne bei dieser
Kommunikation die Vertraulichkeit nicht gewährleistet werden.
Andere Zeiten erfordern andere Antworten. Der Bundestag hatte
daher Ende Mai 2020 rück-wirkend zum 01.03.2020, befristet bis
zum 31.12.2020 und vermutlich weiter geltend auch für 2021 § 129
BetrVG ins Betriebsverfassungsgesetz aufgenommen, der wie folgt
lautet:
§ 129 BetrVG Sonderregelungen aus Anlass der COVID-19-Pandemie
(1) Die Teilnahme an Sitzungen des Betriebsrats,
Gesamtbetriebsrats, Konzernbetriebsrats, der Jugend- und
Auszubildendenvertretung, der Gesamt-, Jugend- und
Auszubildendenvertretung und der Konzern-, Jugend- und
Auszubildendenvertretung sowie die Beschlussfassung können
mittels Video- und Telefonkonferenz erfolgen, wenn
sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine
Kenntnis nehmen können. Eine Aufzeichnung ist unzulässig. § 34
Absatz 1 Satz 3 gilt mit der Maßgabe, dass die Teilnehmer ihre
Anwesenheit gegenüber dem Vorsitzenden in Textform bestätigen.
Gleiches gilt für die von den in Satz 1 genannten Gremien
gebildeten Ausschüsse.
(2) Für die Einigungsstelle und den Wirtschaftsausschuss gilt
Absatz 1 Satz 1 und 2 entsprechend.
(3) Versammlungen nach den §§ 42, 53 und 71 können mittels
audiovisueller Einrichtungen durchgeführt werden, wenn
sichergestellt ist, dass nur teilnahmeberechtigte Personen
Kenntnis von dem Inhalt der Versammlung nehmen können. Eine
Aufzeichnung ist unzulässig.
Will der Betriebsrat nicht mehr tagen, sollte er zuvor prüfen,
ob nicht wenigstens der Betriebsausschuss gemäß § 27 BetrVG,
bestehend aus beispielsweise dem Vorsitzenden, dem
stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden und 3 weiteren
gewählten Mitgliedern, eine Alternative ist. Wenn diesem
Betriebsausschuss Aufgaben durch den Betriebsrat explizit
übertragen werden, stellt es kein Problem dar, wenn dieser
beispielsweise auch über personelle Einzelmaßnahmen entscheidet.
Die Grenze zieht der Gesetzgeber beim Abschluss von
Betriebsvereinbarungen, also der Kernbereich der sozialen
Mitbestimmung, die dem Betriebsausschuss nicht übertragen werden
kann (§ 27 Abs. 2 S. 2 BetrVG).
§ 129 BetrVG gilt wohlgemerkt nur für den Pandemiefall und nicht
generell. Mittels der gängigen Angebote wie Zoom u. a. kann die
Geheimhaltung gesichert werden, wenn der Vorsitzende nur den
eingeladenen Betriebsratsmitgliedern den jeweils aktuellen Link
zuschickt. Die Bestätigung der entsprechenden Teilnehmer kann
gesondert per E-Mail oder etwa in der Chatfunktion erfolgen.
Wenn der Vorsitzende die Bestätigungen der Teilnehmer ablegen
will, ist es vermutlich am Einfachsten, ihm dies per E-Mail
zuzusenden, sodass dieser es gesondert leicht abspeichern kann.
Was für die Betriebsratssitzung gilt, gilt auch für die
Ausschusssitzungen des Betriebsrats. Mitarbeitervertretungen
können sich auf § 14 Abs. 4 MAVO und Personalräte auf § 37
BPersVG berufen.
Bleibt zu hoffen, dass die Regelung häufig ohne einen Anlass wie
Corona auch weiterhin praktiziert werden kann. Noch aber braucht
es nach § 129 BetrVG einer besonderen Rechtfertigung für die
Ausnahme. Für Personalrat und MAV ist auch nach Corona die
Onlinesitzung möglich.
Kanzlei
für Arbeitsrecht in Schöneberg Klaus Stähle |